Zielgruppenansprache, Zielgruppendifferenzierung, Ausgestaltung und Qualitätssicherung von Präventionsangeboten der Gesetzlichen Rentenversicherung ZZAQ [tsak]

Förderung
Deutsche Rentenversicherung Westfalen

Projektteam
Jochen Heuer, Elena Köckerling

Laufzeit
1. Juli 2018 bis 31. März 2021

Hintergrund und Zielsetzung
Mit der Verabschiedung des Flexirentengesetzes haben die Träger der Gesetzlichen Renten-versicherung allen Anspruchsberechtigten Zugang zu Leistungen der medizinischen Präventi-on zu gewährleisten. Die Erfahrungen mit den zuvor durchgeführten (Modell-) Maßnahmen geben aufgrund geringer Fallzahlen nur Hinweise, liefern aber keineswegs Evidenz für den Aufbau sinnvoller Strukturen, für die Installation funktionierender Prozesse und schließlich für die Produktion optimaler Ergebnisse. Auch die Zugangswege, die bislang beschritten wurden, sind weder breit genug noch hinreichend verzweigt, um auch nur annähernd das gesamte Kollektiv der Anspruchsberechtigten den Maßnahmen zuzuführen. In der bisherigen Praxis wurden nahezu alle Teilnehmer für Präventionsmaßnahmen über Betriebs- und Werksärzte identifiziert. Ein solche Vorgehen ist nur in Großbetrieben möglich, nicht in kleinen und mittle-ren Betrieben. Das bedeutet, dass unter den derzeit gegebenen Zugangsbedingungen etwa 60% aller abhängig Beschäftigten aus 99,6% aller Unternehmen de facto nicht an Präventi-onsmaßnahmen teilhaben (können). Hier setzt die ZZAQ-Studie an: Um Teilhabegerechtigkeit und eine flächendeckende Präventivversorgung zu gewährleisten, müssen Bedarfserken-nung, Versichertenzugang und Zuweisungssteuerung neu gedacht und ausgeweitet werden. Des Weiteren muss darüber nachgedacht werden, ob die quasi über Nacht generierte und immens große Gruppe der Anspruchsberechtigten nach speziellen Risiko- oder beruflichen Anforderungsprofilen zu differenzieren ist und in der Folge maßgeschneiderte Angebote für Subgruppen zu entwickeln sind. Parallel zu diesen Arbeitsschritten bestehende und neu im-plementierte präventive Angebote der DRV Westfalen empirisch begleitet werden.

Methoden
Zur Klärung der Forschungsfragen wurde ein quantitativer und qualitativer Methodenmix ge-wählt. Im Wesentlichen werden folgende Arbeitsschritte verfolgt (Auswahl):

Zugangswege zu Präventionsangeboten:

  • Expertendiskussion: Krankenkassenvertreter, Presseabteilung DRV, Kammervertreter  Identifizierung und Information der Zielgruppe

Bedarfe und Bedürfnisse hinsichtlich der Präventionsangebote:

  • Interviews mit (potenziellen) Nutzern (Versicherten) zu Bedarf/Bedürfnisse, Wünsche, Erwartungen, „Abneigungen“ (Akzeptanz) für Präventionsangebote/Abgleich Passung.
  • Interviews mit Sozialmedizinern, Arbeitsmedizinern, Reha-Medizinern, Fachärzten: Welche differenzierten Angebote müssen entwickelt werden?
  • Schriftliche Versichertenbefragung zur quantitativen Ergänzung der qualitativen Inter-views

Wissenschaftliche Begleitung der Präventionsleistungen der DRV Westfalen:

  • Interviews und schriftliche Befragung von Teilnehmern und Unternehmensleitungen zu Strukturen, Prozessen, Ergebnissen, Erwartungen und Erfahrungen

Ergebnisse (Auswahl)
Zugangswege
Die erste interdisziplinäre Expertenrunde erbrachte folgende Vorschläge:

  • Kooperation mit den Kammern und Nutzung von deren Publikationsorganen zur In-formation der Betriebe (Zusage der HWK Münster)
  • Entwicklung verschiedener Veranstaltungsformate zur Prävention
  • Verankerung des Präventionsgedankens bereits in der schulischen, betrieblichen und universitären Ausbildung
  • Einbeziehung von Multiplikatoren in Betrieben und Verbänden (Interessensvertretun-gen der Wirtschaft, Gewerkschaften)
  • Sensibilisierung und Schulung von Sicherheitsbeauftragten der Betriebe zum Thema Prävention

Differenzierung der Zielgruppe in Risiko-Subgruppen nach Bedarfen und Bedürfnissen
In einer zweiten Expertenrunde wurde die derzeitige Ist-Situation von Vertretern der Trai-ningseinrichtungen trotz bekannter Passungsprobleme des aktuellen Verfahrens als ausrei-chend individualisiert beschrieben. Es besteht weiterhin Diskussions- und Analysebedarf.

Begleitung von Präventionsleistungen der DRV Westfalen
Interviews und schriftliche Befragung zeigen eine überwiegend positive Beurteilung der Prä-ventionsleistungen durch die Teilnehmer. Herausgestellt wurden die Kompetenz der Thera-peuten, die Qualität der Einrichtungen. Verbesserungsbedarf gibt es insbesondere bei der Flexibilität und Erreichbarkeit der Trainingszentren. Im Verlauf der Interviews wurden zahlrei-che Fehlzuweisungen festgestellt, d.h. einige Teilnehmer hatten bereits Rehabilitationsbedarf.
In den Unternehmerinterviews wurde die Präventionsmaßnahme vielfach gelobt, auch wenn ein positives Outcome nicht unmittelbar nachweisbar war. Viele befragte Unternehmen pla-nen die PL als Bestandteil ihres betrieblichen Gesundheitsmanagements weiter ein. Ein Be-trieb beklagte massive Probleme bei der Bereitstellung von Trainingsplätzen in den ambulan-ten Rehazentren, sodass die Bewerbung der Präventionsmaßnahme bis auf weiteres einge-stellt wurde.

Zusammenfassung und Umsetzungsmöglichkeiten
Die ZZAQ-Studie fokussiert auf die entscheidenden Problembereiche der Präventionsleistun-gen der Rentenversicherung:

  • Mangelnde Teilhabe- und Versorgungsgerechtigkeit durch zu enge Zugangswege und zu wenig Informationsleistungen
  • Differenzierung der (immens großen) Zielgruppe und ggf. Notwendigkeit zur Schaf-fung von spezialisierteren, individualisierten Angeboten
  • Verbesserung der Zuweisungsschärfe zwischen Prävention und Rehabilitation.

Im Bereich der Zugangswege und der Informationsversorgung wurde in einer multiprofessio-nellen Expertenrunde eine Fülle von kreativen Lösungsvorschlägen erarbeitet.
Eine zweite Expertenrunde offenbarte weiteren Diskussions- und Analysebedarf hinsichtlich der Differenzierung der Präventionsleistungen.
Die PL der DRV Westfalen wurden von Teilnehmern und Unternehmen grundsätzlich positiv bewertet. Probleme gab es hinsichtlich der Zuweisungsschärfe (Prävention vs. Rehabilitation) und bei der Flexibilität und Erreichbarkeit einiger Einrichtungen.

Die ZZAQ-Studie gibt relevante Umsetzungsempfehlungen, die für eine bessere Performance der Präventionsleistungen und eine bessere Teilhabegerechtigkeit sorgen können.