Zeitlich befristete Erwerbsminderungsrenten: Gibt es eine Chance auf Return to Work? (ZEMI)

Förderung
Deutsche Rentenversicherung Westfalen

Projektteam
Elena Köckerling, Monika Schaidhammer-Placke
Fachliche Beratung
Deutsche Rentenversicherung Westfalen, Dr. Bettina Hesse
Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, PD Dr. Odile Sauzet

Laufzeit
15.August 2016 bis 14. August 2018

Hintergrund und Zielsetzung
Die zeitliche Befristung von Erwerbsminderungsrenten (EM-Renten) impliziert eine Besse-rungsmöglichkeit des Gesundheitszustandes bzw. die Chance auf Wiedererlangung der Er-werbsfähigkeit. Diese Phase ist daher von Interesse für die Rehabilitationsforschung. Bislang ist nicht bekannt, wie viele Erwerbsminderungsrentner*innen (EMR) derzeit ohne koordinierte Unterstützung den Weg zurück ins Erwerbsleben schaffen. In verschiedenen Projekten der Abteilung Münster des IfR wurden jedoch bereits Charakteristika von EM-Rentenantragsteller*innen und EM-Rentenbezieher*innen sowie Maßnahmen und Einstellun-gen dieser Personengruppe zur Rückführung ins Erwerbsleben untersucht. In Projekten ande-rer Forschungseinrichtungen wurde Einflussfaktoren und förderlichen Maßnahmen zur Rückführung ins Erwerbsleben nachgegangen. Es konnte bisher jedoch keine Erfolge erzielt wer-den, die Anlass zu einer dauerhaften Implementierung von Fördermaßnahmen gaben.

Methoden
Anhand von Routinedaten der Deutschen Rentenversicherung wurden die erwerbsbiografi-schen Verläufe sowie soziodemografische, gesundheitliche und ökonomische Merkmale der zeitlich befristeten EMR ausgewertet. Die bisher existierenden nationalen und internationalen Interventionsansätze und Erfahrungen zu „Return to Work (RTW) aus der EM-Rente“ wurden durch einen systematischen Review erfasst. Die Ergebnisse wurden anschließend im Rah-men einer Gruppendiskussion mit relevanten Stakeholdern und mit Blick auf Implikationen für EMR in Deutschland aufgearbeitet. Die Auswertung der Gruppendiskussion erfolgte inhalts-analytisch.

Ergebnisse
Die Datenanalyse hat gezeigt, dass von den untersuchten Personen, die 2006 zum ersten Mal eine zeitlich befristete EM-Rente erhalten haben (N= 9.789), 5,9% ein RTW in einem der sie-ben Folgejahre erreichen konnte. Das RTW ist wie folgt definiert: mindestens eine Halbtags-beschäftigung mit Mindestlohn (Mindestlohn 8,50€/ Stunde * 4 Arbeitsstunden =34€/ Halb-tags) für die Hälfte der Tage eines Jahres. Es konnte außerdem festgestellt werden, dass sowohl soziodemografische Merkmale der EMR als auch Kennzeichen der Gesundheit und der Erwerbssituation in signifikanten Zusammenhängen mit der Wahrscheinlichkeit auf ein RTW auf den ersten Arbeitsmarkt stehen, z.B.:

  • EMR im Alter von 18 bis 29 Jahren haben die höchste Rückkehrwahrscheinlichkeit (HR=4,51; 95%-KI:1,80-11,27; p=0,001); mit Anstieg des Alters sinkt die Rückkehr-wahrscheinlichkeit
  • EMR mit einer psychischen Rentenbewilligungsdiagnose haben eine geringere Rück-kehrwahrscheinlichkeit als EMR mit einer somatischen Diagnose (HR=0,79; 95%-KI: 0,64-0,98; p=0,030)
  • EM-RentnerInnen ohne Tage aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung 3 Jah-re vor der Rente haben eine geringere Rückkehrwahrscheinlichkeit als EM-RentnerInnen mit solchen Zeiten (HR=0,37; 95%-KI: 0,28-0,49; p=0,000)

In dem systematischen Review wurden 72 Dokumente eingeschlossen. Es konnten nationale und internationale Informationen zu Unterstützungsmaßnahmen in Modellprojekten gefunden werden. Es hat sich gezeigt, dass es bisher keine langfristig erfolgreichen Maßnahmen gibt, die das RTW von EMR fördern. Die erfolgreichsten Maßnahmen umfassen eine Kombination aus finanziellen Anreizen und Langzeitbegleitung (z.B. Casemanagement). Darüber hinaus konnten Untersuchungen der Ist-Situation identifiziert werden, die bspw. Aufschluss darüber gaben, dass bei bis zur Hälfte der EMR durchaus Motive für ein RTW vorhanden sind, es jedoch an der Umsetzung in den meisten Fällen scheitert. Es wurden personenbezogene und systembezogene Barrieren untersucht, sowie drei zentrale Herausforderungen benannt:

  1. Die RTW-orientierte Ausrichtung des EM-Rentensystems stärken
  2. Kooperation der Behörden untereinander verbessern
  3. Zusammenarbeit von Behörden, Arbeitgebern und Gesundheitsprofessionen verbessern.

Diese Herausforderungen bildeten den Ausgangspunkt für die Gruppendiskussion. Es wurde herausgearbeitet, dass es fest angelegter Strukturen für einen übergreifenden Austausch be-dürfe. Außerdem brauche es immer eine individuelle Einzelfall-Unterstützung und nicht einen „standardisierten Unterstützungsmechanismus“. Optimalerweise liege der Zeitpunkt des Ein-greifens vor Eintreten einer EM-Rente. Es wurde resümiert, dass es zur gesellschaftlichen Verantwortung zähle, diese Menschen zu unterstützen, auch wenn es nicht Kosten-deckend sei.

Zusammenfassung und Ausblick
Das ZEMI-Projekt hat aufgezeigt, dass ein RTW aus der zeitlich befristeten EM-Rente nur in wenigen Fällen erreicht wird und Unterstützungsmaßnahmen daher sinnvoll erscheinen. Die nationalen und internationalen Erfahrungen haben gezeigt, dass eine Kombination aus finan-ziellem Anreiz und Langzeitbegleitung am erfolgversprechendsten sind. Praxis-Herausforderungen bestehen primär in der übergreifenden Zusammenarbeit von Stakehol-dern, weshalb der Aufbau von festen Strukturen zum frühzeitigem Austausch und Einleitung von Fallmanagements gefordert wird.