Psychosomatische Rehabilitation: Strukturelle Einflussfaktoren auf das Antragsgeschehen sowie Veränderung des RehabilitandInnenkollektivs bzgl. der Behandlungsschwere im Zeitverlauf (PREA)
Förderung
Deutsche Rentenversicherung Westfalen
Projektteam
Elena Köckerling, Bettina Hesse
Laufzeit
15.Oktober 2014 bis 14. August 2016
Kooperierende Einrichtungen
Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Universität Bielefeld, Dr. Jürgen Breckenkamp
Hintergrund und Zielsetzung
Unzureichende Behandlungskapazitäten im ambulanten Sektor und lange Wartezeiten auf eine Psychotherapie lassen eine Verlagerung der kurativen Behandlung in die Rehabilitation vermuten. Dem nachgehend wurde der Einfluss der ärztlichen/psychotherapeutischen Ver-sorgung (ÄPV) und des regionalen Arbeitsmarkts (AM) auf das Reha-Antrags- und Ablehnungsgeschehen in der Psychosomatik untersucht.
Zudem wird eine steigende Anzahl schwerwiegender psychosomatischer Reha-Fälle berich-tet. Aus diesem Grund wurde die zeitl. Entwicklung der für den Reha-Erfolg relevanten Einflussfaktoren bei den RehabilitandInnen der DRV Westfalen ausgewertet. Zusätzlich wurde das aktuelle RehabilitandInnenkollektiv zur Vorbehandlung und weiteren Einflussfaktoren auf den Reha-Erfolg befragt.
Methoden
Daten des regionalen AM, der regionalen ÄPV und des Reha-Antrags- und Ablehnungsgeschehen der DRV Westfalen im Jahr 2013 wurden deskriptiv und regressionsanalytisch aus-gewertet, um Aufschluss über den Zusammenhang dieser Faktoren zu erhalten. Die statis-tisch nicht erfassten Ablehnungsdiagnosen wurden für eine Zufallsstichprobe von 15 Kreisen nacherhoben.
Die Auswertung der Entwicklung des Reha-Erfolgs und dessen Einflussfaktoren erfolgte de-skriptiv anhand von Daten der abgeschlossenen psychosomatischen Rehabilitationsleistun-gen der DRV Westfalen der Jahre 2004 bis 2013.
Mittels eines Fragebogens wurden Versicherte der DRV Westfalen, die eine psychosomati-sche Reha im Jahr 2015 bewilligt bekommen haben, vor Antritt der Reha zur medizinisch/psychotherapeutischen Vorbehandlung und zu Merkmalen, die für den Reha-Erfolg relevant sind (z.B. Bildung, Symptomatik, subjektive Erwerbsprognose), befragt.
Ergebnisse
Es bestehen deutliche regionale Unterschiede in der ÄPV und der AM in den untersuchten Kreisen. Bzgl. des AM konnten keine signifikanten Effekte auf das Reha-Antrags- und Ableh-nungsgeschehen gefunden werden. In Regionen mit einer schlechteren ÄPV besteht ein sig-nifikant höheres relatives Risiko für hohe Antragszahlen (z.B. geringe Anzahl an Hausärzte: RR: 1,28; p=0,0166) und gleichzeitig tendenziell ein niedrigeres relatives Risiko für hohe Ab-lehnungsquoten (schlechtere ÄPV insgesamt: RR: 0,84; p= 0,0878).
Bei den Einflussfaktoren auf den Reha-Erfolg zeigt sich im 10-Jahreszeitraum ein gemischtes Bild: Für den Reha-Erfolg ist als günstig zu bewerten, dass der Anteil der RehabilitandInnen mit ≥6 Monaten versicherungspflichtiger Beschäftigung in den letzten 12 Monaten vor Reha-Antrag gestiegen ist. Gleichzeitig stieg der Anteil der RehabilitandInnen, die ≥6 Monate vor dem Reha-Antrag arbeitsunfähig waren, was als prognostisch ungünstig gilt. Indikatoren des Reha-Erfolgs weisen Tendenzen zur Verschlechterung auf (z.B. Anstieg der AU-Entlassungen).
80% der Befragten sind nach eigenen Angaben in fachärztlicher/psychotherapeutischer Be-handlung. Eine regelmäßige Psychotherapie erhalten jedoch nur 47%. Fehlende Behandlung wurde am häufigsten mit fehlenden Behandlungsterminen begründet.
Zusammenfassung
Die Analyse der Einflussfaktoren auf das Reha-Antrags- und Ablehnungsgeschehen weist auf eine Kompensation fehlender ambulanter Versorgungskapazitäten durch die psychosomatische Rehabilitation hin. Dies ist ungünstig, da kurative Behandlungsanteile in die Rehabilitation verlagert werden und die rehabilitativen Ziele erst später fokussiert werden können. Die Be-fragung des RehabilitandInnenkollektivs zeigt ergänzend, dass weniger als die Hälfte der RehabilitandInnen eine psychotherapeutische Vorbehandlung aufweisen. Der Eindruck, dass der Anteil schwerwiegender Reha-Fälle zugenommen hat, kann nicht widerlegt werden.
Umsetzungsempfehlung
Die Erfassung der Ablehnungsdiagnosen in den Statistiken der DRV wird empfohlen, da so umfangreichere regionale, diagnosespezifische Auswertungen ermöglicht würden. Die Rentenversicherung sollte zudem auf politischer Ebene auf eine Verbesserung der ambulanten ÄPV hinwirken.