Erwerbsminderungsrente abgelehnt! Was wird aus den Antragstellern? Eine Analyse der ge-sundheitlichen, sozialen und beruflichen Entwicklung von Antragstellern zwei Jahre nach Ab-lehnung des EM-Rentenantrags (ARentA)

Förderung
Deutsche Rentenversicherung Westfalen

Projektteam
Jochen Heuer, Sarah Kedzia

Laufzeit
01.01.2008-31.12.2010

Hintergrund und Zielsetzung
Bessere medizinische Versorgung, der demographische Wandel und die Zunahme der Lebensarbeitszeit führen zu nachhaltigen gesellschaftlichen Veränderungen. Jetzt kommen die geburtenstarken Jahrgänge in das Alter, in dem sich chronisch degenerative Krankheiten mehren, bzw. in ihrer Progression soweit fortgeschritten sind, dass die Betroffenen in bedeutendem Maße leistungsgewandelt sind. Nicht jeder Erkrankte findet dann eine (leidensgerechte) Beschäftigung, der er trotz der Funktionseinschränkungen noch nachgehen kann. Oftmals bleibt für viele Versicherte nur noch die Möglichkeit einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente zu stellen. Das Projekt beschäftigte sich mit der Frage, welche Parameter den Rentenantragsteller bei einer Wiederaufnahme der Arbeit (Return-to-Work) unterstützen und welche ihn daran hindern.

Methoden
Die ARentA Studie verfolgte 2375 Versicherte der DRV Westfalen, die 2008 einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente (EMR) gestellt haben, retrospektiv 8 Jahre vor und prospektiv 2 Jahre nach Antragsstellung. Mittels Erhebungen durch Fragebögen und Routinedaten der DRV Westfalen, sowie ergänzenden leitfadengestützten Interviews zu zwei Messzeitpunkten (t0: 2008; t1: 2010) wollte die ARentA-Studie mehr über die gesundheitliche, psychische und soziale Situation der Antragssteller in Erfahrung bringen und ihre Entwicklung während des Prozesses der Antragsstellung und nach Bewilligung / Ablehnung dokumentieren. Es konnten 421 Fragebögen (t1: 185) und 28 persönliche Interviews (zu t1: 21) in die Analyse einbezogen werden. Routinedaten wurden für die gesamte Stichprobe erhoben.

Ergebnisse
Die Versicherten sind zum Zeitpunkt der Antragsstellung durchschnittlich 48 Jahre alt, 44% sind weiblich. 55% der Stichprobe erhielten im Jahr 2010 einen positiven Bescheid für eine Rente wegen Erwerbsminderung. Es dominieren Krankheiten aus dem Bereich der psychischen und Verhaltensstörungen (47% bewilligte EMR). Die Berentungsdiagnosen legen ein multimorbides Krankheitsspektrum nahe. Vorherrschend sind zudem niedrige schulische sowie berufliche Abschlüsse.
Die Versicherten stellen hohe Erwartungen daran, was sich durch den Bezug einer EMR in ihrem Leben ändern würde; so erhoffen sie sich zu t0 eine deutliche Verbesserung der finanziellen, gesundheitlichen und psychischen Situation. Zu t1 zeigt sich aber, dass sich diese Hoffnungen nicht bestätigt haben - unabhängig vom Rentenstatus beschreiben die Versicherten ihr Leben auf diesen Dimensionen als erheblich verschlechtert. Das deutet u. a. darauf hin, dass ein Großteil der Antragsteller schwere aggravierende Krankheitsbilder aufweist.
Die ARentA Studie wollte Aufschluss über die Frage geben, welche Versicherten trotz EMR-Antrag wieder ins Erwerbsleben zurückkehren und welche Faktoren einen Vorhersagewert besitzen. Zu t1 waren lediglich 84 Versicherte (3%) mindestens 6 Monate sozialversicherungs-pflichtig beschäftigt, daher war eine statistisch signifikante Identifikation von Prädiktoren nicht möglich. Folgende Punkte scheinen allerdings einen prädiktiven Charakter zu haben:

  • Die Dauer der Arbeitslosigkeit
  • Die Hauptdiagnose des Rentenantrags
  • Die Motivation wieder ins Erwerbsleben zurückkehren zu wollen.
  • Das Bildungsniveau

Zusammenfassung und praktische Implikationen
Je länger die Arbeitslosigkeit/ Arbeitsunfähigkeit andauert, desto geringer ist die Chance einer Wiedereingliederung ins Erwerbsleben. Prognostisch günstig für einen Verbleib im oder gute Chancen auf eine Reintegration in das Berufsleben sind dagegen konstante Erwerbsbiografien mit zeitlicher Nähe zum Berufsleben.
Häufig berentet werden Versicherte mit psychischen Störungen. Muskuloskelettale Erkrankungen oder Erkrankungen des Herz-Kreislaufs-Systems führen seltener zu einer Berentung.
Eine hohe intrinsische Motivation, sich selbst um eine neue Arbeit zu bemühen, erwies sich als bedeutender Parameter für ein Return-to-Work. Motivationale Faktoren scheinen eine elementare Rolle zu spielen.
Eine nur geringe schulische und berufliche Bildung verhindern eine mögliche Neuorientierung auf dem Arbeitsmarkt und die erfolgreiche Suche nach einem leidensgerechten Arbeitsplatz.

EM-Rentenantragsteller weisen zu einem Großteil schwere aggravierende Krankheitsbilder auf.