Evaluation der (Ganzkörper-) Elektromyostimulation im Rahmen der stationären Rehabilitation kardiologischer und orthopädischer Patienten mittels randomisiert-kontrollierter Studie (GERKO).

Förderung
Deutsche Rentenversicherung Westfalen

Projektteam
Prof. Dr. Frank C. Mooren, Dr. Marc Teschler, PD Dr. Dr. Boris Schmitz, Melina Heimer

Laufzeit
01.04.2018 bis 31.12.2020

Hintergrund und Zielsetzung
Der Begriff „Sarkopenie“ bezeichnet einen altersassoziierten übermäßigen Verlust an Muskelmasse mit entsprechender Reduktion an Muskelkraft. Neben dieser Reinform gibt es Überlappungen mit der Kachexie, der Gewichtsabnahme bei meist chronischen, inflammatorischen Reaktionen sowie Malnutrition. Veränderungen der Muskelmasse sind sowohl für den Metabolismus, insbesondere den Glukose- und Fettstoffwechsel sowie für funktionelle Einschränkungen von Bedeutung. Zusätzlich schränkt eine Reduktion der Muskelkraft die Verrichtung alltäglicher Aufgaben und die gesellschaftliche Teilhabe ein. 

Für die Arbeit in einer Rehabilitationsklinik stellen sarkopenische Patienten eine besondere Herausforderung dar, da sie aufgrund ihres muskulär stark dekonditionierten Status nur eingeschränkt an den Bewegungsangeboten teilnehmen können. Zusätzlich erreichen sie aufgrund ihrer Limitationen häufig keine relevanten Trainingsimpulse, so dass im Rehabilitationsverlauf nur sehr geringfügige physiologische Adaptationen und Verbesserungen die Regel sind. 

Untersuchungen in der gesamten Breite, von neurologischen Krankheitsbildern wie der Muskeldystrophie,bis hin zum Top-Athleten im Leistungssport, zeigen, dass Elektromyostimulation (EMS) zusätzlich zu normalen mechanischen Stimuli, Muskelmasse und insbesondere Muskelfunktionalität deutlich verbessern kann. 

Ziel sollte es sein, erstmals die Anwendbarkeit und Effektivität von EMS im Verlauf eines vierwöchigen Rehabilitationsaufenthaltes zu prüfen. Als Zielgruppe dienten sarkopenische Patienten mit kardiologischer und/oder orthopädischer Vorerkrankung. Als Hauptzielparameter wurde die Veränderung der Muskelkraft und Muskelfunktion definiert. Zudem sollten Fragen zur optimalen Anwendungsmöglichkeit im Sinne einer Ganzkörper- und Teilkörperstimulation beantwortet werden und mögliche Effekte mit Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit des Rehabilitationsaufenthaltes. 

Methoden
Die sarkopenischen Patienten wurden gemäß dem Kriterium „reduzierte Muskelmasse“, definiert durch die „Foundation for the National Institutes of Health (FNIH)“, identifiziert. Die reduzierte Muskelmasse berechnet sich über den Quotienten aus der Muskelmasse der Extremitäten. (appendikuläre skelettale Muskelmasse) dividiert durch den Body-Mass-Index (BMI) und gilt als wesentliches Einschlusskriterium. Die Grenzwerte liegen für Männer bei < 0,789 und für Frauen bei < 0,512. 

Zur Erfassung der definierten primären Endpunkte durchliefen die geeigneten Patienten eine Testbatterie bestehend aus „Chair-Rising-Test (CRT)“ und „6-Minute-Walking-Test (SMWT)“ (Muskelfunktion) sowie eine isometrische Kraftmessbatterie zur Erhebung der Bein-, Arm- und Rumpfkraft (je Extension und Flexion). Sekundäre Endpunkte wurden mittels Blutentnahme (hämolytische Parameter), Bioimpedanz-Analyse (BIA, Körperzusammensetzung) und Fragebögen (Lebensqualität, Selbstwirksamkeit) erhoben. 

Alle Teilnehmer (n=122) trainieren im 4-wöchigen Rehabilitationsverlauf je zweimal pro Woche für jeweils zusätzlich 20 Minuten entsprechend der Randomisierung in 3 Gruppen: 1) Ganzkörper-Elektromyostimulation (WB-EMS), 2) Teilkörper-EMS (Stimulation der unteren Extremitäten inkl. Gesäß) oder 3) aktive Kontrollgruppe (KG). Jede Trainingseinheit umfasste ein dynamisches Bewegungsprogramm im Stand, zusammengesetzt aus 2 Sätzen à 7 Übungen mit jeweils 8 Wiederholungen und einer finalen Übung à 6 Wiederholungen. Alle TEs werden in einem engen Betreuungsverhältnis von 2:1-Verhältnis (2 Teilnehmer, 1 qualifizierter Übungsleiter) durchgeführt.

Ergebnisse 
Es zeigten sich signifikante Interaktionseffekte in Bezug auf Muskelfunktion (CRT) und Kraft (Beinstreckung). Bezüglich des CRT verbesserten sich beide EMS-Gruppen signifikant im Vergleich zur Kontrollgruppe, während sich für den SMWT lediglich ein positiver Trend abzeichnete. 

Zusätzlich beobachteten wir eine tendenzielle Verbesserung der Armstreckung zwischen WB-EMS vs. Teilkörper-Applikation sowie der Rumpfbeugung zwischen WB-EMS und Kontrollgruppe. 

Für die sekundären Parameter, wie Blutparameter, Körperzusammensetzung sowie Lebensqualität und Selbstwirksamkeit konnten keine Zwischengruppen-Unterschiede verzeichnet werden, allerdings verzeichnen alle Parameter generell einen positiven Trend hinsichtlich der Anwendung von WB-EMS. 

Umsetzungsempfehlungen und Ausblick
EMS präsentierte sich als vielversprechende, sichere und effektive Trainingsmethode für die Rehabilitation, die sarkopenischen Patienten mit orthopädischer und/oder kardiologischer Vorerkrankung einen zusätzlichen Gesundheitsmehrwert liefern kann. 

Bereits nach knapp 4-wöchiger Interventionsphase mit lediglich 6 zusätzlichen Trainingseinheiten zeigten beide EMS-Varianten teilweise signifikante Verbesserungen von Muskelfunktion und Muskelkraft verglichen zur aktiven Kontrollgruppe. 

Somit kann entsprechend unterschiedlicher Krankheitsprofile durch die Applikation von WB-EMS, aber auch durch die „reduzierte“ Variante der Teilkörper-EMS, individuell auf unterschiedliche gesundheitliche Problematiken eingegangen werden. 

Hierauf basierend plant die Klinik Königsfeld eine zeitnahe Implementierung von EMS-Training in die klinische Routine. Weiterführende Erkenntnisse zu unterschiedlichen Entzündungs- und Regenerationsprozessen, sowie Effekte auf unterschiedliche Krankheitsbilder sollen in kleinen Inhouse-Projekten perspektivisch die Effektivität von EMS-Training noch weiter verbessern.

Projektstatus: 
abgeschlossen

Veröffentlichungen zum Projekt:
Teschler M, Heimer M, Schmitz B, Kemmler W, Mooren FC. Four weeks of electromyostimulation improves muscle function and strength in sarcopenic patients: a three-arm parallel randomized trial. J Cachexia Sarcopenia Muscle. 2021 (4): 843-854. DOI: 10.1002/jcsm.12717. PMID: 34105256; PMCID: PMC8350212.
Schlagwörter: Rehabilitation; Cardiology; Orthopedy; Exercise; Strength; Prevention
Download: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34105256/

Kontakt
Dr. Marc Teschler, Holthauser Talstraße 2, 58256 Ennepetal
Tel.: 02333 / 9888-480, e-Mail: marc.teschler@uni-wh.de