Entlassungsmanagement in der onkologischen Rehabilitation (EmoR): Analyse der Nachsorgeplanung und der schnittstellenübergreifenden Versorgungspfade onkologischer Rehabilitanden in der Nachsorge.

Förderung
Deutsche Rentenversicherung Westfalen

Projektteam
Heike Kähnert, Juliane Maschke, Birgit Leibbrand

Laufzeit des Projektes
01.07.2017 bis 31.12.2019

Kurzbeschreibung
Hintergrund und Ziele
Eine Tumorerkrankung und deren Therapien können langfristig zu gesundheitlichen Be-schwerden und zu erheblichen Einschränkungen in der Teilhabe am Arbeitsleben und in der Gesellschaft führen. Zur Bewältigung dieser Beschwerden müssen PatientInnen bedarfsori-entierte Versorgungsangebote in den stationären und ambulanten Sektoren zur Verfügung gestellt werden. Die Versorgungskontinuität zwischen diesen Sektoren ist jedoch aufgrund von Schnittstellenproblemen nicht immer gewährleistet. Mangelnde Transparenz, unzu-reichende Kommunikation, Kooperation und Vernetzung werden hierfür verantwortlich ge-macht. Die medizinische Rehabilitation stellt mit ihrem Entlassungsmanagement ideale Aus-gangsbedingungen für eine sektorenübergreifende Versorgung onkologischer PatientInnen bereit. Allerdings existieren zurzeit nur unzureichende Informationen über das Entlassungs-management hinsichtlich einer patientenorientierten Nachsorgeplanung und deren Auswir-kungen auf die Zusammenarbeit zwischen onkologischen Reha-Kliniken und den AkteurInnen im ambulanten Sektor sowie den Versorgungspfaden der PatientInnen nach Abschluss einer Rehabilitation.

Ziele der EmoR-Studie waren aus den Perspektiven von Reha-Mitarbeitenden, weiterbehan-delnden Haus-/FachärztInnen und onkologischen RehabilitandInnen eine umfassende Be-standsaufnahme und Bewertung (A) des Entlassungsmanagements hinsichtlich der Nachsor-geplanung während und der Versorgung der RehabilitandInnen nach Abschluss der Rehabili-tation und (B) der Zusammenarbeit zwischen Rehabilitationsklinik und weiterbehandelnden ÄrztInnen einschließlich der Schnittstellenbeschaffenheit und -probleme. Ferner wurde eine Bewertung des Reha-Entlassungsberichtes als Instrument für die Nachsorgeplanung aus Sicht der beteiligten AkteurInnen durchgeführt. Die Ergebnisse bilden die Grundlage für die Erstellung von Handlungsempfehlungen für ein patientenorientiertes Entlassungsmanagement.

Methoden
Um diese Ziele zu erreichen, wurde ein Mixed-Methods Ansatz gewählt und qualitative und quantitative Daten von den beteiligten AkteurInnen aus drei Rehabilitationskliniken in einer Methodentriangulation erhoben: Fokusgruppeninterviews wurden während der Rehabilitation in jeder Klinik mit den Reha-Mitarbeitenden (n=4) und mit onkologischen RehabilitandInnen (n=14) in der letzten Reha-Woche geführt. Über eine Querschnittsbefragung (n=41) und tele-fonische Interviews (n=11) wurden die Daten der weiterbehandelnden ÄrztInnen poststationär erhoben. Über eine prospektive Längsschnittbefragung mit vier Messzeitpunkten (Reha-Ende, 3-, 6- und 9-Monatskatamese) wurden die poststationären Daten der RehabilitandInnen (n=392) erfasst.

Ergebnisse und Handlungsempfehlungen
Ausgewählte Ergebnisse zum Entlassungsmanagement: Die zentralen Vorstellungen über Inhalte und Abläufe eines Reha-Entlassungsmanagements von onkologischen Rehabili-tandInnen und Mitarbeitenden decken sich weitgehend in der Theorie. Beide AkteurInnen subsummieren hierfür alle Prozesse und Maßnahmen, die den RehabilitandInnen eine lücken-lose und patientenorientierte Anschlussversorgung sichert. Entscheidende Elemente hierbei sind: Zielvereinbarungen und Nachsorgeplanung, Verlaufskontrolle, interne Kommunikations-strukturen, eine reibungslose Informationsweitergabe zwischen Reha-Klinik und den Akteu-rInnen in der ambulanten Versorgung sowie Unterstützungsangebote auch nach Abschluss der Rehabilitation, hauptsächlich für PatientInnen mit komplexen Problemlagen.
Die meisten Kritikpunkte am Entlassungsmanagement sind spezifisch darauf bezogen, dass zu wenig patientenorientiert gearbeitet wird und viele Reha-Angebote in mündlicher und schriftlicher Form zu allgemein gehalten und nicht individuell auf die Bedürfnisse der Rehabili-tanden im Alltag und Beruf abgestimmt sind. Verbesserungen im Rahmen des Entlassungs-managements werden entsprechend in mehr individualisierten anstelle von standardisierten Angeboten gesehen. Aus den Ergebnissen lassen sich folgende Handlungsempfehlungen ableiten:

  • Für eine individualisierte Nachsorgeplanung sind neben der Tumorerkrankung weitere Teilhabe-Beeinträchtigungen sowie die jeweilige Lebenssituation der PatientInnen mit zu berücksichtigen.
  • Mehr Unterstützung auch nach Abschluss der Rehabilitation sollten  PatientInnen mit einer komplexen Problemlage erhalten. Zur Identifikation dieser Personengruppen sollten Screening- bzw. Testverfahren eingeführt werden.
  • Es wird empfohlen, Einzelgespräche zum Thema individuelle Nachsorgestrategien anzu-bieten, was auch durch ein zeitlich ausgedehntes ärztliches Abschlussgespräch realisiert werden kann. Letzteres entspräche auch den Erwartungen der  PatientInnen und würde deren Reha-Zufriedenheit erheblich steigern.
  • Aktuelle Kontaktadressen für wohnortnahe Nachsorgeangebote sollten  PatientInnen und niedergelassenen  ÄrztInnen zur Verfügung gestellt und bei Bedarf Kontakte aus der Re-habilitation heraus angebahnt werden.
  • Eine Zusammenarbeit zwischen Rehabilitation und Selbsthilfe sollte ausgebaut werden. Zudem sollte das Potenzial des Peer-to-Peer-Counselings noch stärker genutzt werden, bspw. durch regelmäßig stattfindende Gesprächskreise, idealerweise in kleinen, ge-schlossenen Therapiegruppen.
  • Es wird empfohlen, über Nachsorgeleistungen der DRV und anderen Anbietern für onko-logische RehabilitandInnn mehr aufzuklären und mehr Flexibilität für die Verordnungspra-xis einzuräumen.
  • Eine patientenorientierte Nachsorge(planung) so wie es im DRV Rahmenkonzept zur Reha-Nachsorge idealtypisch dargelegt ist, ist unter den bestehenden personellen und strukturellen Bedingungen von Reha-Kliniken in dieser Form und Komplexität nicht um-setzbar. Wünschenswert wäre, wenn die DRV überprüft, inwieweit ein Nachsorgebeauf-tragter in den Kliniken eingesetzt und / oder ein Case-/ Fallmanagement auch für onkolo-gische Rehabilitation mit komplexen Problemlagen ausgebaut werden kann.
  • Zu empfehlen ist, eHealth Angebote für die onkologische Reha-Nachsorge zu implemen-tieren. Diese könnten auch zur Überbrückung der langen Wartezeiten auf Psychothera-pieplätze eingesetzt werden. Es sollte ferner überprüft werden, eHealth Angebote für eine bessere Vernetzung der verschiedenen AkteurInnen in der stationären und ambulanten onkologischen Versorgung zu nutzen.


Ausgewählte Ergebnisse zur Zusammenarbeit zwischen Reha-Kliniken und niederge-lassenen ÄrztInnen: Reha-Mitarbeitende und weiterbehandelnde ÄrztInnen verdeutlichen unmissverständlich, dass im Regelfall keine Zusammenarbeit in Form einer direkten Kontakt-aufnahme besteht und für sogenannte ‚Regelfälle‘ diesbezüglich auch kein Veränderungsbedarf gesehen wird, da letztendlich alle notwendigen Informationen aus dem Reha-Entlassungsbericht entnommen werden können. Eine direkte Zusammenarbeit wird für Pati-entInnen mit komplexen Problemlagen gewünscht, da diese sich positiv auf die Versorgung der PatientInnen auswirken kann. Aktuell bestätigen die Reha-Mitarbeitenden und weiterbe-handelnden ÄrztInnen, dass eine direkte Zusammenarbeit nur überaus selten besteht. Für PatientInnen mit komplexen Problemlagen sollte diese Situation geändert werden, woraus folgende Handlungsempfehlungen vorgeschlagen werden:

  • Um eine möglichst nahtlose Anschlussversorgung zu gewährleisten, sind eine frühzeitige Kontaktaufnahme und gemeinsame Absprachen zur Weiterbehandlung schon während der Rehabilitation zu empfehlen. Hierfür sollte eine telefonische Kontaktaufnahme bevor-zugt eingesetzt werden. Eine Kontaktaufnahme setzt das Einverständnis der Rehabilitan-dInnen voraus.
  • Strukturelle Voraussetzungen für eine Kontaktaufnahme müssen geschaffen werden. In den Reha-Kliniken könnten Telefonsprechstunden eingerichtet und Rückrufbitten per Email oder Fax übermittelt werden. Idealerweise sollte  ein(e) AnsprechpartnerIn benannt werden.
  • Vernetzung zwischen dem stationären und ambulanten Sektor fördern: Bei der Umset-zung sollten auch digitale Kommunikationsformen, wie z.B. Videokonferenzen, Chats / Foren oder Webinare genutzt werden, die unabhängig vom Standort der Beteiligten einen Austausch gewährleisten. Dies setzt ein funktionierendes, internetfähiges IT-System vo-raus und Menschen, die dieses bedienen können. Ansonsten sind IT-Schulungen unumgänglich.


Ausgewählte Ergebnisse zum ärztlichen Reha-Entlassungsbericht: Der Entlassungsbericht stellt aus Sicht aller Befragten das entscheidende Kommunikationsinstrument zwischen Reha-Kliniken und weiterbehandelnden ÄrztInnen dar. Aus Sicht der Niedergelassenen Ärz-tInnen aber auch der Patientinnen bestehen für den Bericht Verbesserungswünsche, woraus folgende Handlungsempfehlungen abgeleitet werden können:

  • Der Bericht sollte alle notwendigen Informationen enthalten, jedoch möglichst kompakt und prägnant formuliert werden.
  • Der Bericht sollte patientenorientiert geschrieben werden. Auf standardisierte Textbaustei-ne, die nicht auf die individuelle Situation der Patientinnen in Beruf und Alltag angepasst sind, ist weitgehend zu verzichten.
  • Im Bericht sollten psychische Beeinträchtigungen sowie Komorbiditäten und die sozialme-dizinische Leistungsbeurteilung einschließlich der Arbeitsplatzsituation der PatientInnen ei-ne stärkere Berücksichtigung finden.
  • Im Bericht sollte auf allgemeine Nachsorgeempfehlungen verzichtet werden. Stattdessen sollte er individuelle Handlungs-/Bewältigungspläne und Trainingspläne enthalten. Diese sollten idealerweise gemeinsam mit den PatientInnen abgesprochen bzw. erstellt werden.

Publikationen im Rahmen des Projektes
Kähnert, H.; Fischer, H.; Kalusche-Bontemps, E.-M. & Leibbrand, B. (2021). Unterstützungs-bedürfnisse onkologischer Patienten während und nach Abschluss einer Rehabilitation. DRV-Schriften Bd. 123, Hrsg. DRV Bund: 285-286.

Kähnert, H.; Fischer, H.; Kalusche-Bontemps, E.-M. & Leibbrand, B. (2020). Assessment of discharge management in oncological rehabilitation from the perspective of patients. Oncol Res Treat 2020; 43 (suppl 1): 167.

Kähnert, H.; Fischer, H.; Kalusche-Bontemps, E.-M. & Leibbrand, B. (2020). Wie gestaltet sich aus Sicht niedergelassener Ärzte die Zusammenarbeit mit der onkologischen Rehabilita-tion? DRV-Schriften Bd. 120, Hrsg. DRV Bund: 287-289.

Kähnert, H.; Fischer, H.; Kalusche-Bontemps, E.-M. & Leibbrand, B. (2019). How do practic-ing physicians evaluate the cooperation with oncological rehabilitation? Oncol Res Treat; 42 (suppl. 4). 271.

Kähnert, H.; Fischer, H.; Kalusche-Bontemps, E.-M. & Leibbrand, B. (2019). Entlassungsma-nagement in der onkologischen Rehabilitation. Posterbeitrag: Refonet-Update 2019, 12.-13.09.2019, Bad Neuenahr-Ahrweiler

Schlagwörter
Onkologie, Entlassmanagement, Rehabilitation, Nachsorge

Kontakt
Dr. Heike Kähnert, Alte Vlothoer Straße 1, 32105 Bad Salzuflen,
Tel.: 05222-186-3367, Fax: 05222-186-3250, E-Mail: kaehnert@ifr-norderney.de