Individuelle Nachsorge onkologischer PatientInnen (INOP). Konzeption und Evaluation von nachsorgebezogenen Interventionen zur langfristigen Verstetigung von Rehabilitationserfolgen

Förderung
Deutsche Rentenversicherung Westfalen

Projektteam
Heike Kähnert, Anne-Kathrin Exner, Birgit Leibbrand

Laufzeit des Projektes
01.07.2009 – 31.12.2012

Kurzbeschreibung
Hintergrund und Ziele

Jährlich erkranken in Deutschland etwa 71.660 Frauen an Brustkrebs (GEKID 2012). Die krebsspezifischen Therapien können sich kräftezehrend auf die physische und psychische Gesamtsituation der Patientinnen auswirken und darüber hinaus mit einer Vielzahl von negati-ven Nebenwirkungen verbunden sein (Kreienberg, 2008). Die Rehabilitation mit ihren indivi-dualisierten Therapiemaßnahmen, aber auch die Nachsorge übernehmen für die Krankheits-bewältigung bedeutsame Funktionen (Bartsch & Reuss-Borst, 2012). Studien belegen die Wirksamkeit einer onkologischen Rehabilitation (Mehnert & Koch, 2007; Mehnert et al., 2011), verdeutlichen allerdings auch, dass die Nachhaltigkeit der erreichten Rehabilitationser-folge verbesserungsfähig ist (Deck et al. 2008). Zur Verstetigung von Rehabilitationserfolgen sind unterstützende Nachsorgemaßnahmen wesentlich.

Neben den klassischen medizinischen Therapien gelten Sport und Bewegung als wirksame Therapieform bei Tumorerkrankungen, da hierüber eine Vielzahl körperlicher aber auch psy-chischer Funktionsdefizite behoben werden kann. Entsprechend ist es wichtig, dass Sport und Bewegung integrale Bestandteile des Alltags von PatientInnen werden. Obwohl die negativen Auswirkungen eines bewegungsarmen Lebensstils auf die Gesundheit bekannt sind, schaffen es nur wenige PatientInnen, ein regelmäßiges Bewegungsverhalten langfristig in ihren Alltag zu integrieren. Nach dem HAPA-Modell sind neben motivationsfördernden Faktoren vor allem volitionale Strategien der Handlungs- und Bewältigungsplanung sowie der Handlungskontrolle wesentlich, um aus einer (Bewegungs-)Absicht ein Verhalten zu generieren (Schwarzer et al., 2008). Interventionen, die auf volitionalen Strategien beruhen, können das körperliche Aktivi-tätsverhalten fördern (Geidl et al., 2012).

Im Rahmen des INOP-Projekts wurde für Brustkrebspatientinnen während des stationären Aufenthaltes in einer Rehabilitationsklinik eine Intervention zur Planung individueller Nachsor-gemaßnahmen hinsichtlich eines gesunden Lebensstils (INOP-Modul A: Seminar und Einzel-beratung) kombiniert mit einer telefonischen Nachsorge (INOP-Modul B) konzipiert, imple-mentiert und evaluiert.

Methoden
Die Evaluation beruhte auf einem prospektiven, randomisierten Interventions-Kontrollgruppendesign und wurde in fünf onkologischen Rehabilitationseinrichtungen durchge-führt. Untersucht wurde, ob das INOP-Modul A und das INOP-Modul B jeweils eigenständig wirksame Komponenten hinsichtlich der Verstetigung von Rehabilitationserfolgen sind oder nur in Kombination entsprechende Effekte hervorrufen. Überprüft wurden die Auswirkungen der Interventionsmodule zur 6-Monatskatamnese  und zur 12-Monatskatamnese  auf folgen-de proximalen Zielvariablen: Personale Mediatorvariablen (Intention, Selbstwirksamkeit, Handlungs- und Bewältigungsplanung), die körperliche Aktivität (Sport- und Bewegungsver-halten) und das Entspannungsverhalten. Zudem wurde der Frage nachgegangen, ob über die INOP-Interventionen bzw. durch die Steigerung der körperlichen Aktivität weitere positive (gesundheitliche) Auswirkungen langfristig nachgewiesen werden können. Entsprechend wurden als distale Zielvariablen die gesundheitsbezogene Lebensqualität, die Funktionsfähig-keit im Alltag sowie in einer Teilstichprobe der potentiell erwerbsfähigen Patientinnen die sub-jektive Prognose der Erwerbstätigkeit und Funktionsfähigkeit im Beruf untersucht.

Ergebnisse
Die Ergebnisse zeigen, dass beide INOP-Interventionen wirksam sind und Rehabilitationser-folge auch noch ein Jahr nach Klinikentlassung nachgewiesen werden können. Beide INOP-Module in Kombination eingesetzt, fördern bis zu zwölf Monate nach Abschluss der Rehabili-tation die personalen Mediatorenvariablen, die körperliche Aktivität (Sport und Bewegung) sowie mehrheitlich die distalen Zielvariablen (Funktionsfähigkeit im Alltag und im Beruf; ge-sundheitsbezogene Lebensqualität) stärker als eine Standardrehabilitation, aber auch stärker als die Einzelmodule der INOP Intervention.

Das INOP-Modul A wirkt sich aber auch positiv auf die untersuchten Zielvariablen aus. Die-ses Modul stellt die Basiseinheit dar, denn hierüber werden Wissen und (Planungs-)Kompetenzen gefördert und Gesundheitsverhalten initiiert bzw. beibehalten. Somit erhalten die Rehabilitandinnen das notwendige „Rüstzeug“, um im Alltag aktiv am langfristigen Rehabilitationserfolg mitzuarbeiten.

Die telefonische Nachsorge (INOP-Modul B) wirkt mit ihren volitionalen Inhalten dann unter-stützend, baut auf dem Wissen und den erworbenen Kompetenzen der Patientinnen auf und stabilisiert die erreichten Effekte langfristig im Vergleich zu einer Kontrollgruppe. Eine telefo-nische Nachsorge mit volitionalen Inhalten zeigt bei Rehabilitandinnen, die eine Standardreh-abilitation durchlaufen haben, hingegen keine bzw. kurz-/mittelfristige Auswirkungen. Beide INOP-Module wurden vonseiten der Studienteilnehmerinnen akzeptiert und positiv bewertet und wiesen eine gute Machbarkeit auf.

Handlungsempfehlungen
Eine Handlungsempfehlung für die Forschung besteht in der ökonomische Analysen, um Aussagen zur Effizienz und Wirtschaftlichkeit beider Interventionsmodule treffen zu können. Daraufhin sollte der nächste Schritt sein, die Interventionsmodule in die Routineversorgung einer Rehabilitationsklinik zu implementieren (Transfer in die Praxis). Dies stellt eine große Herausforderung für alle beteiligten AkteurInnen dar. Bedingungen, die während der Durch-führung einer qualitätsgesicherten, wissenschaftlichen Studie geschaffen wurden, lassen sich in der Routineversorgung nicht ohne Weiteres umsetzen. Hierfür müssen Anpassungen vor-genommen und die erforderlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Diese betreffen beispielsweise die personelle, zeitliche aber auch räumliche und finanzielle Ausstattung. Eine wissenschaftliche Begleitung dieses Implementierungsprozesses sowie die Überprüfung auf Effektivität und Effizienz sind dabei unerlässlich.

Literatur
Bartsch, H.H. & Reuss-Borst, M. (2012). Körperliche Aktivitäten in der onkologischen Rehabi-litation. In. Baumann, F.T.; Jäger, E. & Bloch, W. (Hrsg.) Sport und körperliche Aktivität in der Onkologie. Springer Verlag: Berlin, Heidelberg: 228-232.

GEKID (2012): Krebs in Deutschland 2007/ 2008. Robert Koch-Institut (Hrsg.) und die Gesell-schaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland e.V. (Hrsg.), Berlin 2012

Deck, R.; Hüppe, A. & Raspe, H. (2008). Rehabilitationsnachsorge – Neue Wege zur Steige-rung der längerfristigen Effektivität der medizinischen Rehabilitation. DRV-Schriften Bd. 77: 210-211.

Geidl, W.; Hofmannn, J.; Göhner, W.; Sudeck,G.& Pfeifer, K. (2012). Verhaltensbezogene Bewegungstherapie – Bindung an einen körperlich aktiven Lebensstil. Rehabilitation 51: 259–268.

Mehnert, A. & Koch, U. (2007). Zur Wirksamkeit der stationären onkologischen Rehabilitation unter besonderer Berücksichtigung spezifischer psychoonkologischer Intervention. Projek-tabschlussbericht.

Mehnert, A.; Veers, S.; Howaldt, D.; Braumann K. & Koch, U. (2011). Effects of a physical exercise rehabilitation group program on anxiety, depression, body image and health-related quality of life among breast cancer patients. Onkologie 34: 248-253.

Schwarzer, R.; Lippke, S. & Ziegelmann, P. (2008). Health action process approach. Zeit-schrift für Gesundheitspsychologie, 16 (3): 157-160.

Publikationen im Rahmen des Projektes
Exner, A. K. (2015). Gesund leben nach Krebsdiagnose – ein Widerspruch? Ernährungs- und Sportverhalten von Frauen mit Brustkrebs im Anschluss an eine medizinische Rehabilitati-on Dissertation. Universität Bielefeld.

Exner, A.-K.; Kähnert, H.; Leibbrand, B.; Biester, I.; Trapp, M.; Gharaei, D.; Niehues, C. (2012). Fruit, vegetable and red meat consumption before and after rehabilitation among breast cancer patients. J. Cancer Res. Clin. Oncol: 138, p. 147.

Kähnert, H.; Exner, A.-K. & Leibbrand, B. (2014). Langzeiteffekte der INOP-Intervention auf die Lebensqualität und Funktionsfähigkeit von Brustkrebspatientinnen nach Abschluss ei-ner onkologischen Rehabilitation. In: DRV-Schriften Bd. 103: 347–349.

Kähnert, H.; Exner, A.-K. & Leibbrand, B. (2014). Long term effects of the INOP intervention on physical activity and health of female breast cancer patients following cancer rehabilita-tion. Do all patients benefit equally? In: Oncology Research and Treatment 37 (suppl 5): 110.

Kähnert, H.; Exner, A.-K & Leibbrand, B. (2014). Long term effects of the INOP-intervention on physical activity and health following oncological rehabilitation. In: Oncology Research and Treatment 37 (suppl 1): 111.

Kähnert, H.; Exner, A.-K.; Leibbrand, B.; Biester, I.; Trapp, M.; Gharaei, D. & Niehues, C. (2013). Bewegungsförderung von Brustkrebspatientinnen: Ergebnisse der INOP-Studie sechs und zwölf Monate nach Abschluss einer stationären Rehabilitation. DRV-Schriften Band 101: 360-361.

Kähnert, H. (2013). Ergebnisse der INOP-Studie zur Förderung der körperlichen Aktivität von Brustkrebspatientinnen. Workshop: Körperliche Aktivität für onkologische Patienten in Deutschland: derzeitige Arbeitsschwerpunkte und gemeinsame Ziele, Veranstalter: AG Körperliche Aktivität (AG PRIO) in der Deutschen Krebsgesellschaft. Frankfurt a. M. 5.-06.09.2013.

Kähnert, H., Exner, A. E. & Leibbrand, B. (2013). Individuelle Nachsorge onkologischer Pati-enten (INOP). [Abschlussbericht] IFR, Norderney.

Kähnert, H.; Exner, A.-K.; Leibbrand, B.; Biester, I.; Trapp, M.; Gharaei, D.; Niehues, C. (2012). Effects of the INOP-intervention on physical activity and functional capabilities of breast cancer patients. European Review of Aging and Physical Activity 10: p. 70

Kähnert, H.; Exner, A.-K.; Leibbrand, B.; Biester, I.; Trapp, M.; Gharaei, D.; Niehues, C. (2012). Effects of a longitudinal intervention study on physical exercise and functional capability in workaday and occupation following oncologic rehabilitation. J. Cancer Res. Clin. Oncol.: 138, p. 18.

Kähnert, H.; Exner, A.-K.; Leibbrand, B.; Biester, I.; Trapp, M.; Gharaei, D.; Niehues, C. (2012). Einfluss der INOP Intervention zur Handlungs- und Bewältigungsplanung auf das Bewegungsverhalten von Brustkrebspatientinnen. Profitieren alle Patientinnen gleicherma-ßen. DRV - Schrift Band 98: 419-420.

Leibbrand, B.; Kähnert, H.; Exner, A.-K.; Biester, I.; Gharaei, D.; Niehues, C.; Trapp, M. (2015): Long term effects of interventions focusing on volitional strategies in and after re-habilitation of breast cancer patients: Results of the INOP-study. Support Care Cancer 23 (Suppl 1): 300.

Leibbrand B., Kähnert H., Exner A.-K. (2014): How we can influence self-efficacy, volitional strategies and physical activity of breast cancer patients for long term? In: Oncology Re-search and Treatment 37 (suppl 5): 277.

Leibbrand, B. (2013). Sport und Bewegung bei Krebs. Welcher Sport ist für welchen Patienten geeignet? Wilsede-Schule. Cancer Survivorship – oder wie sieht das Leben nach der Krebserkrankung und deren Behandlung aus. Wilsede. 26. - 28.09.2013.

Leibbrand, B. (2013). Aktivität der Schlüssel zur Gewichtskontrolle am Beispiel von Patientin-nen mit Mammakarzinom. 33. Wissenschaftlicher Kongress des Deutschen Ärztinnenbun-des e.V. „Medizin im Wandel der Zeit und die Herausforderungen“. Berlin. 03.-05.10.2013.

Leibbrand B., Kähnert H. & Exner A.-K. (2013). Einflüsse definierter Interventionen auf das Bewegungsverhalten und die Funktionsfähigkeit im Alltag und Beruf von Brustkrebspatien-tinnen im Langzeit-follow-up. Ergebnisse der INOP-Studie. Onkologie 36 (suppl. 7): 162.

Schlagwörter
Onkologie, Rehabilitation, Nachsorge, motivationale- & volitionale Strategien, körperliche Ak-tivität

Kontakt
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