Projekt Betsi: Berufsbegleitende Prävention

Beschäftigungsfähigkeit teilhabeorientiert sichern

Förderung
Verein zur Förderung der Rehabilitationsforschung Norderney e. V.
DRV Bund, Berlin (Förderzeichen 8011-106-31/31.102;)
DRV Baden-Württemberg, Stuttgart;
DRV Braunschweig-Hannover;
DRV Westfalen

Projektteam
IfR Bad Rothenfelde: Stephanie Fröhlich, Ralph Niemeyer, Bernhard Greitemann
IfR Ennepetal: Jörg Kittel, Brigitte Wiesner, Marthin Karoff

Laufzeit
01.01.2009 bis 30.06.2012

Kooperierende Einrichtungen
DRV Westfalen, DRV Bund, DRV Baden-Württemberg, DRV Hannover-Braunschweig, Medizinische Hochschule Hannover, Universität Würzburg,

Kurzbeschreibung
Ziel war die Implementierung einer berufsbegleitenden Maßnahme zur dauerhaften Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit. Die Zunahme einer bestehenden Bedrohung der Erwerbsfähigkeit durch riskantes Gesundheitsverhalten sollte abgewendet bzw. reduziert und die Lebensqualität und gesundheitsbewusstes Verhalten erhöht werden. Als Nebeneffekt wurde von einer stärkeren Vernetzung zwischen Betriebsärzten, Rehabilitationseinrichtungen und Rentenversicherungsträgern ausgegangen.

Projektebeschreibung
Eine höhere Lebenserwartung, die steigende Prävalenz chronischer Krankheiten sowie die Verlängerung der Lebensarbeitszeit der Beschäftigten sind die Entwicklungen, denen sich insbesondere die Rentenversicherung stellen muss. Vor allem die Verlängerung der Lebensarbeitszeit und ein drohender Fachkräftemangel erfordern schon frühzeitig gesundheitsfördernde Strategien, um Beschäftigte länger im Erwerbsleben halten zu können. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat dafür z. B. die Initiative 50+ ins Leben gerufen. Während mit tertiär präventiven Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation nach § 10 SGB VI bei Versicherten mit chronischen Beeinträchtigungen und Krankheitsfolgen die Teilhabe am Erwerbsleben wieder hergestellt oder gesichert werden soll, werden Leistungen zur Krankheitsvorbeugung seltener erbracht.

Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI kann die gesetzliche Rentenversicherung präventive medizinische Leistungen zur Sicherung der Erwerbsfähigkeit für Versicherte erbringen, die eine besonders gesundheitsgefährdende, ihre Erwerbsfähigkeit ungünstig beeinflussende Beschäftigung ausüben bzw. deren Erwerbsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen gefährdet ist. „Dies war vor allem für Versicherte in körperlich anstrengenden und physisch belastenden Berufen, beispielweise in Bergbau und Schwerindustrie, eine Chance zur Regenerierung, zur Vorbeugung belastungsabhängiger Gesundheitsstörungen und zur Aufrechterhaltung ihrer beruflichen Leistungsfähigkeit.“ (Moser, Fischer, & Korsukéwitz, 2010). Diese vorbeugenden Leistungen wurden analog der medizinischen Rehabilitation i. d. R. über drei Wochen stationär erbracht.

Um den gravierenden Veränderungen der beruflichen Belastungen, wie verstärkte Arbeitsverdichtung und Zunahme der individuellen Risikofaktoren (u. a. Bewegungsmangel, Übergewicht und Depressivität) mit präventiven Maßnahmen entgegenwirken zu können, haben die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung die entsprechenden Verwaltungsrichtlinien zu § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI im Jahr 2008 überarbeitet. „Als besonders belastende Tätigkeiten werden nunmehr auch Tätigkeiten mit besonderer psychischer Belastung, mit besonders hohen Daueranforderungen an Konzentration, Reaktionsvermögen und Verantwortung, aber auch Tätigkeiten im ständigen Stehen oder Sitzen aufgeführt.“ (Moser et al., 2010). Neben den beruflichen Faktoren sollen auch individuelle Faktoren wie Bewegungsmangel bei der Beurteilung des Präventionsbedarfs berücksichtigt werden.

Seit dem 01.01.2009 können diese präventiv ausgerichteten Leistungen zur Sicherung der Erwerbsfähigkeit sowohl stationär, ambulant als auch kombiniert erbracht werden, was die Durchführung dieser Maßnahmen aus ökonomischen und betriebsorganisatorischen Gründen deutlich attraktiver erscheinen lässt.

Aufbauend auf dem § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI und den gesammelten Erfahrungen mit bereits durchgeführten Modellprojekten (1+12 in Baden-Württemberg, Schlicht & Brand, 2007; berufsbegleitende Rehabilitation in Westfalen) und einem bereits konzipierten Präventionsprogramm im Reha-Zentrum Bad Salzuflen (Olbrich & Ritter, 2010) haben leitendende Verwaltungsmitarbeiter und Kliniker der Deutschen Rentenversicherungen Bund, Westfalen und Baden-Württemberg gemeinsam mit Rehabilitationsforschern ein Rahmenkonzept zur Erbringung präventiv ausgerichteter Leistungen zu Lasten der gesetzlichen Rentenversicherung erstellt. Dieses Rahmenkonzept trägt im Namen, was das Ziel präventiv ausgerichteter Maßnahmen der DRV beinhaltet, nämlich „Beschäftigungsfähigkeit teilhabeorientiert sichern (Betsi)“ (Ritter, Wegener & Hartschuh, 2008).

Zur Überprüfung der Durchführbarkeit und Effektivität von präventiven Leistungen nach dem Betsi-Konzept wurden an vier Standorten Modellprojekte durchgeführt. Die Auswahl geeigneter Teilnehmer erfolgte in der Regel in den kooperierenden Betrieben durch die betriebsärztlichen Dienste. Die Leistungen wurden größtenteils berufs-begleitend über einen Zeitraum von 8-12 Wochen erbracht. Während Betsi-Teilnehmer in Westfalen vorwiegend aus kleinen und mittleren Betrieben rekrutiert wurden, waren an den Maßnahmen in Baden-Württemberg größere und große Unternehmen beteiligt. Die vorliegende Studie belegte, dass die berufsbegleitende Präventionsleistung Betsi in die bestehenden Strukturen von Rehabilitationseinrichtungen erfolgreich implementiert werden kann und dass sie sowohl auf Seiten der Versicherten, als auch auf Seiten der Betriebsärzte und der Arbeitgeber Akzeptanz findet.

Auf der Basis der Evaluationsergebnisse ist festzustellen, dass die Teilnahme an der multimodalen Betsi-Präventionsleistung mit einer beeindruckend vielfältigen Reduktion von Risikoverhalten einhergeht: Aufbau von körperlicher Aktivität, Stressbewältigung, Ernährungsumstellung und Gewichtsreduktion. Diese Veränderungen im Gesundheitsverhalten lassen sich anhand von Laborparametern (Blutzucker, Blutfette) objektivieren. Ebenso spiegeln sich die gesundheitsfördernden Verhaltensweisen in einer Steigerung des subjektiven Gesundheitszustandes: Die Teilnehmer fühlen sich nach der Maßnahme deutlich gesünder als zu Beginn des Präventionsprogrammes. Die Effekte einer gesünderen Lebensweise wirken sich ebenfalls günstig im beruflichen Bereich aus. Arbeitsbezogene Risikoverhaltensweisen wie Selbstüberforderung konnten auf diese Weise reduziert und Strategien, um sich rechtzeitig zu schützen, konnten entwickelt werden. Der Transfer der Schulungsinhalte - sowohl im privaten als auch im beruflichen Bereich - scheint größtenteils zu gelingen. Selbstregulationsfähigkeiten als Basis für eine dauerhaft gesunde Lebensweise konnten ebenfalls gesteigert werden.

Dem vom Gesetzgeber geforderten Bezug zur Arbeitssituation der Teilnehmer einer Präventionsleistung nach §31 SGB VI wird durch die vorliegenden Betsi-Modellprojekte Rechnung getragen. Die positiven Effekte der Präventionsprogramme korrespondieren mit einer deutlich verbesserten subjektiven Prognose der Erwerbstätigkeit: Der Anteil an Mitarbeitern, die mit einer großen Wahrscheinlichkeit bis zur altersbedingten Berentung im Erwerbsleben verbleiben, konnte durchschnittlich von 50% auf rund 90% deutlich gesteigert werden. Darüber hinaus konnte nach Einschätzung der Betriebsärzte aufgrund der Betsi-Teilnahme die Wahrscheinlichkeit einer späteren Reha-Antragsstellung deutlich reduziert werden.

Publikationen und Vorträge zum Projekt

Kittel J, Fröhlich SM, Heilmeyer P, Olbrich D, Karoff M, Greitemann B (2014). Beschäftigungsfähigkeit teilhabeorientiert sichern (Betsi):Ergebnisse der Einjahreskatamnese von Präventionsmaßnahmender Deutschen Rentenversicherung. Die Rehabilitation, 53 (4), 251 – 257.

Spanier K, Schwarze M, Fröhlich S, Kittel J, Schuler M (2013). Die teilhabeorientierte Maßnahme Betsi: Kurz- und langfristige Effekte auf proximale Zielkritieren und deren Vorhersagefähigkeit auf AU-Tage und subjektiven Gesundheitszustand. Vortrag auf dem 22. Rehabilitationswissenschaftlichen Kolloquium: „Teilhabe 2.0 - Reha neu denken?“ 04.-06.03.2013 in Mainz. DRV-Schriften, 101, 313-315.

Fröhlich SM, Kittel J, Kruse N, Olbrich D, Heilmeyer P, Greitemann B, Karoff M (2012). Beschäftigungsfähigkeit teilhabeorientiert sichern (Betsi): Ergebnisse der Interviews mit den zuweisenden Betriebs- und Werksärzten. Vortrag auf dem 21. Rehabilitationswissenschaftlichen Kolloquium: „Rehabilitation: Flexible Antworten auf neue Herausforderungen“ 05.-07.03.2012 in Hamburg. DRV-Schriften, 98, 266-267.

Fröhlich SM, Kittel, J, Greitemann B, Karoff M, Kruse N, Niemeyer R (2011).Beschäftigungsfähigkeit teilhabeorientiert sichern: Betsi – Erste Ergebnisse der Befragung der Teilnehmer- und der Betriebsärzte. Vortrag auf der wissenschaftlichen Jahrestagung des NRW-Forschungsverbundes Rehabilitationswissenschaften in Düsseldorf 2011.

Greitemann B, Fröhlich SM, Niemeyer R, Karoff M, Kittel J, Wiesner B (2011).Betsi - Ein Modellprojekt. Vortrag auf der Strategiesitzung der DRV Nordbayern im Kloster Banz 2011.

Kittel J, Fröhlich SM, Karoff M, Greitemann B (2011). Präventionsleistungen der DRV: Beschäftigungsfähigkeit teilhabeorientiert sichern (Betsi). Rehabilitationswissenschaftliches Symposium NRW in Leichlingen.

Kittel J, Fröhlich SM, Karoff M, Greitemann B (2011). Präventionsangebote der Rentenversicherung: Erste Ergebnisse einer multizentrischen Evaluationsstudie zum Betsi-Rahmenkonzept der DRVen Bund, Westfalen und Baden-Württemberg. 38. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauferkrankungen. Berlin, 03.06.2011.

Kittel J, Fröhlich SM, Karoff M, Greitemann B(2011). Berufliche Teilhabe integrationsorientiert gestalten – Soziale Arbeit als Erfolgsfaktor für nachhaltige Beschäftigungsfähigkeit. Bundeskongress der Deutschen Vereinigung für Sozialarbeit im Gesundheitswesen. Münster, 13.10.2011.

Kittel J, Fröhlich SM, Kruse N, Olbrich D, Heilmeyer P, Greitemann B, Karoff M (2011). Beschäftigungsfähigkeit teilhabeorientiert sichern (Betsi): Erste Ergebnisse aus den Modellprojekten. Vortrag auf dem 20. Rehabilitationswissenschaftlichen Kolloquium: „Nachhaltigkeit durch Vernetzung“ 14.-16.03.2011 in Bochum. DRV-Schriften, 93, 247-248.

Greitemann B, Fröhlich SM, Niemeyer R, Karoff M, Kittel J, Wiesner B (2010). Beschäftigungsfähigkeit teilhabeorientiert sichern: Betsi - ein Modellprojekt. Vortrag auf dem Europäischen Gesundheitskongress in München 2010.

Das Präventionsprogramm Betsi der Klinik Münsterland