Rosenberg Reha-Nachsorge (RoReNa2): Evaluation einer internetbasierten Reha-Nachbetreuungs-Plattform für Menschen mit Adipositas

Förderung
Deutsche Rentenversicherung Westfalen

Projektteam
Anne Schäfer, Bénédicte Jolivet, Maria Pauli, Harald Fischer

Laufzeit
01.01.2017 bis 31.12.2019

Hintergrund und Zielsetzung
Um die Nachhaltigkeit der Rehabilitation zu verbessern, wird schon seit Langem nach einem Instrument gesucht, das mit geringem Zeit- und Kostenaufwand eine effektive Nachsorge ermöglicht um dadurch eine langfristige Lebensstiländerung zu unterstützen. 

Aufgrund jahrelanger Erfahrungen und Erkenntnisse der bisherigen Studien sowie auf Anregung der Rehabilitandinnen und Rehabilitanden entstand die Idee, eine Nachbetreuung unter Nutzung aktueller Kommunikationstechnologien zu etablieren. Im Rahmen einer Pilotstudie wurde die internetbasierte Reha-Nachbetreuungs-Plattform „RoReNa“ (https://rorena-rosenberg.de) für Menschen mit Adipositas (mit oder ohne Diabetes mellitus Typ 2) konzipiert und implementiert. Diese wurde abschließend in dieser Studie evaluiert.
Ziel dieser Studie war es zu untersuchen, ob die angebotene Nachsorge-Plattform „RoReNa“, als einjähriges Reha-Nachbetreuungs-Angebot für diese Rehabilitandinnen und Rehabilitanden, dazu führt, eine langfristige Reduktion des Körpergewichts sowie einen höheren Grad der Erreichung gesetzter Ziele zu unterstützen.

Die Studienteilnehmenden wurden in vier Reha-Kliniken in Bad Driburg rekrutiert. 

Die Studie umfasste zwei Zielgruppen: Zum einen Rehabilitandinnen bzw. Rehabilitanden mit Adipositas sowie Rehabilitandinnen bzw. Rehabilitanden mit orthopädischen Beschwerden und der Nebendiagnose Adipositas. Diese Erkrankungen sind u.a. assoziiert mit medizinischen bzw. psychischen Folge- bzw. Begleiterkrankungen sowie erheblichen Kosten für die Kranken- bzw. Rentenversicherung. Eine nachhaltige Lebensstiländerung kann dazu beitragen, diese ungünstigen Auswirkungen positiv zu beeinflussen.

Das durchgeführte Projekt hatte die Intention, mit Hilfe einer gezielten Nachsorge die erreichten positiven Effekte durch die absolvierte Reha-Maßnahme und folglich die Leistungsfähigkeit der Rehabilitandinnen bzw. Rehabilitanden im Alltag und Beruf dauerhaft aufrechtzuerhalten bzw. noch zu verbessern.

Methoden
Weiterentwicklung: In einem Teilprojekt wurde die passwortgeschützte RoReNa-Webseite erweitert, sodass diese zusätzlich von Rehabilitandinnen bzw. Rehabilitanden mit orthopädischen Beschwerden und der Nebendiagnose Adipositas genutzt werden konnte. Dazu wurde zunächst eine Bedarf- und Bedürfnisanalyse (Experten-Gruppeninterview und Literaturrecherche) durchgeführt. Auf Basis der Ergebnisse wurden zielgruppenspezifische Inhalte erstellt und in die Webseite eingefügt. Im Vorfeld wurde ein Handlungsleitfaden für die Durchführung einer solchen Bedarf- und Bedürfnisanalyse entwickelt.

Evaluation: Die Evaluation erfolgte mit Hilfe einer prospektiven randomisierten kontrollierten Studie. Mit allen Studienteilnehmenden wurden bei Reha-Ende persönliche konkrete Ziele für die folgenden zwölf Monate vereinbart. Zudem erhielten alle Teilnehmenden eine Internet-Schulung: Die Kontrollgruppe (A) wurde unterwiesen wie sie im Internet seriöse Homepages finden kann. Die Interventionsgruppe (B) wurde in die Reha-Nachsorge-Plattform eingeführt; anschließend wurde diese Gruppe ein Jahr lang nachbetreut.
Die Datenerhebung erfolgt bei Reha-Beginn, bei Reha-Ende sowie sechs und 12 Monate nach Reha-Ende. Hauptzielgröße war das Körpergewicht. Als Nebenzielgrößen wurden das Ausmaß der Zielerreichung, Lebensqualität (körperliche bzw. psychische) sowie sozialmedizinische Parameter erhoben. Bei Rehabilitandinnen bzw. Rehabilitanden mit Diabetes mellitus wurde zusätzlich der Langzeitblutzuckerwert (HbA1c) erfasst. Ferner wurde der Zeitaufwand für die Betreuung erfasst.

Als Studienpopulation wurden N = 320 Rehabilitandinnen bzw. Rehabilitanden, die eine stationäre somatischen Rehabilitation (Heilverfahren) in einer der Kliniken absolviert hatten, selektiert. Die meisten TN (n = 283) wurden in der Klinik Rosenberg rekrutiert. Die Einschlusskriterien in die Studie waren: Hauptdiagnose Adipositas (BMI ≥ 30) oder Hauptdiagnose Diabetes mellitus Typ 2 und Nebendiagnose Adipositas oder orthopädische Hauptdiagnose und Nebendiagnose Adipositas.

Die Einschlusskriterien erfüllten n = 317 (99 %) und wurden anschließend randomisiert: n = 162 TN in der Kontrollgruppe [KG] sowie n = 155 TN in der Interventionsgruppe [IG]. Der Anteil Frauen betrug 32 %. Das durchschnittliche Alter lag bei 48,4 Jahren. Der Anteil TN mit Hauptdiagnose Adipositas betrug 64 %, Diabetes mellitus Typ 2/Adipositas 25 % sowie orthopädische Beschwerden/Adipositas 11 %. 

Das mittlere Gewicht bei Aufnahme lag bei 131,7 kg, der mittlere BMI bei 42,2 kg/m2; bei 57% der TN lag eine Adipositas Grad III vor. Der mittlere HbA1c-Wert betrug 7,2.

Der erhobene psychische Parameter Lebensqualität (erhoben mit Hilfe des SF-12-Fragebogens) lag im Bereich der körperlichen Gesundheit durchschnittlich bei 42,6 %; in der psychischen Gesundheit bei 54,3 %. Die körperliche Gesundheit war im Vergleich zur Normstichprobe (51,05 – 51,31) vermindert; die psychische Gesundheit lag etwas über dem Normwert (49,57 – 49,98).

Sechs Monate nach Entlassung lagen uns Daten von n = 246 (78 %) TN vor;

zum Zeitpunkt der Follow-up-Erhebung (12 Monate nach Entlassung) von N = 255 (80 %): KG n = 129; IG n = 126. Insgesamt definierten die TN 1.418 persönliche Ziele (im Mittel vier Ziele pro TN); davon waren mehr als 50 % der gesetzten Ziele aus dem Bereich Ernährung.

Ergebnisse
Die formative Evaluation am Ende der Reha-Maßnahme zeigte auf, dass die Plattform sich als gut einsetzbares und flexibles Nachsorge-Instrument erwies. Die TN der IG haben diese Art der Nachbetreuung als sehr positiv rückgemeldet. Dies zeigte sich auch in der Nutzungs-Adhärenz: Mehr als 50 % (n = 80 von 155) der TN haben bis Ende viertes Quartal (12 Monate nach Entlassung) die Webseite genutzt; das höchste Ausmaß der Nutzung (90 %) sowie Anzahl der Login (n = 46 TN hatten sich 10- bis 19-mal angemeldet) erfolgte im ersten Quartal (ein bis drei Monate nach Entlassung). 

Die summative Evaluation (Follow-up nach 12 Monaten) zeigte auf, dass es einen Zusammenhang zwischen Dauer der aktiven Teilnahme und erfolgreicher Gewichtsreduktion (≥ 5) gibt; 65 % der TN berichteten über eine erfolgreiche Gewichtreduktion 

Ferner zeigte die Analyse, den in der Literatur berichteten Zusammenhang zwischen Gewicht und Lebensqualität auf; die TN mit erfolgreicher Gewichtsreduktion berichteten auch über eine verbesserte körperliche bzw. psychische Gesundheit.

Zudem zeigte sich ein Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Zielerreichung und einer Gewichtsreduktion; 59 % der TN, die rückgemeldet hatten, über 60 % ihrer gesetzten Ziele erreicht zu haben, berichteten über eine erfolgreiche Gewichtreduktion.

Zusammenfassung
Die Nutzungsadhärenz der Nachsorge-Plattform sowie Nutzungshäufigkeit war sehr hoch. Die Ergebnisse konnten einen Zusammenhang zwischen der Dauer der Nutzung bzw. dem Ausmaß der Erreichung gesetzter Ziele und einer erfolgreichen langfristigen Gewichtreduktion aufzeigen. Ferner verdeutlichen die Ergebnisse einen möglichen wechselseitigen Zusammenhang zwischen einer erfolgreichen Gewichtsreduktion und einer verbesserten Lebensqualität. 

Schlussfolgerungen, Umsetzung und Ausblick
Der Aufwand für diese Form der Betreuung ergab ein ausgewogenes Nutzen-Kosten-Verhältnis. 

Der erste interdisziplinäre Ansatz (Betreuung durch medizinische bzw. ernährungswissenschaftliche Studienmitarbeitende) dieser Nachbetreuungs-Plattform zeigte einige positive Effekt auf. Möglicherweise wäre die Hinzunahme einer psychologischen Betreuung zur Entlastung bei vorhandenen psychischen Befindlichkeiten, eine sinnvolle Addition. Die Nutzungsadhärenz sowie die Effekte könnten so möglicherweise noch verbessert werden, wenn zusätzliche motivierende psychologische Inhalte in die Webseite integriert würden und das Angebot um eine solche persönliche psychologische Unterstützung erweitert werden würde. Dazu wären weitere Studien notwendig.

Publikationen im Rahmen des Projektes
Schäfer, A., Jolivet, B., Fischer, H. (2020): Rosenberg Reha-Nachsorge (RoReNa2): Evaluation einer internetbasierten Reha-Nachbetreuungs-Plattform für adipöse PatientInnen. In: DRV Bund (Hg.): 29. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium. Prävention und Rehabilitation – der Betrieb als Partner. 29. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium. Hannover, 02.-04.03.2020. Deutsche Rentenversicherung Bund. Berlin: Eigenverlag (DRV-Schriften, 120), S. 470–471. 

Jolivet, B., Schäfer, A., Fischer, H. (2017): Konzeption und erste Erfahrungen mit einer Online-Nachsorge bei Adipositas. In: DRV Bund (Hg.): 26. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium. Prävention und Rehabilitation in Zeiten der Globalisierung. 26. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium. Frankfurt am Mainz, 20.-22.03.2017. Deutsche Rentenversicherung Bund. Berlin: Eigenverlag (DRV-Schriften, 111), S. 151–153. 

Schlagwörter
Adipositas, Reha-Nachsorge

Kontakt
Dr. med. Harald Fischer, Hinter dem Rosenberge 1, 33014 Bad Driburg, Tel.: 05253 970-525
Rosemarie Hillebrand, Hinter dem Rosenberge 1, 33014 Bad Driburg
Tel.: 05253 970-106, E-Mail: ifr.bad-driburg@ifr-norderney.de