EDIP- Evaluation eines psycho-diabetologischen Rehabilitationskonzepts bei Diabetes mellitus und psychischen Belastungen

Förderung
Deutsche Rentenversicherung Westfalen

Projektteam
Rosemarie Hillebrand, Bénédicte Jolivet, Maria Pauli, Harald Fischer

Laufzeit
01.01. 2012 bis 30.06.2015

Hintergrund und Zielstellung
Im Bereich der somatischen Krankheiten stellt die Erkrankung Diabetes mellitus, mit etwa 8,5 Millionen Betroffenen, eine bedeutsame gesellschaftliche und gesundheitspolitische Herausforderung dar. Die Dunkelziffer liegt geschätzt bei weiteren circa zwei Millionen Menschen. Der relative Anteil des Typ 2-Diabetes an der Gesamtprävalenz beträgt 85 bis 90 %. Die Zahl der an einem Typ 2-Diabetes erkrankten Menschen hat sich in den letzten 30 Jahren mehr als verdoppelt.

Die Klinik Rosenberg arbeitet seit vielen Jahren an der Verbesserung von Rehabilitationsergebnissen bei Menschen mit Diabetes mellitus. Es existieren differenzierte Curricula mit erprobten Instrumenten zur Wissensvermittlung und verbesserten Therapieadhärenz. Es ergibt sich daher die Frage, welche Barrieren existieren, welche die Betroffenen daran hindern, die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten im Alltag dauerhaft umzusetzen.

Die Therapieadhärenz kann durch verschiedene, sich wechselseitig beeinflussende Faktoren, zusätzlich erschwert werden: So können möglicherweise begleitende hohe Belastungen – diabetesbezogene, psychische (z.B. depressive, ängstliche Symptome, reduzierte Lebensqualität) sowie psychosoziale – einer erfolgreichen Umsetzung von Therapieempfehlungen entgegenstehen.

Insbesondere für diese Rehabilitandinnen bzw. Rehabilitanden, erscheint ein psycho-diabetologisches Rehabilitationskonzept angemessen und erforderlich. Das Konzept sollte eine Behandlung der Grunderkrankung Diabetes mellitus auf Basis eines interdisziplinären Vorgehens beinhalten. Das heißt, gleichzeitige Behandlung mit Hilfe einer angemessenen, krankheitsspezifischen medizinischen Therapie und geeigneter psychologischer Therapiemaßnahme. Folglich ist das Ziel, mehr psychologische Kompetenz und psychotherapeutische Ansätze im Bereich der diabetologischen Abteilungen zu implementieren 

Ziel unserer Studie war es, ein erweitertes intensiviertes psychotherapeutisches Mitbehandlungskonzept versus „routinemäßige“ psychologische Mitbetreuung in der Rehabilitation zu vergleichen.

Methoden
Durchgeführt wurde eine prospektive, randomisierte kontrollierte Studie (RCT). Als Studienpopulation wurden N = 748 Rehabilitandinnen bzw. Rehabilitanden, die zu einer stationären somatischen Rehabilitation (Heilverfahren) in die Klinik Rosenberg, mit Hauptdiagnose Diabetes mellitus zugewiesen wurden, rekrutiert. Interesse an einer Studienteilnahme zeigten N = 403. Diese durchliefen das Screening-Verfahren. Die Einschlusskriterien in die Studie waren: mindestens ein auffälliger psychologischer Fragebogenscore (PAID ≥ 33, ADS-K ≥ 18, HADS-D-Angst ≥ 11, WHO-5 < 13). Die Einschlusskriterien erfüllten n = 308 (76 %). Die Analyse zeigte einen hohen prozentualen Anteil an psychische Auffälligkeiten: mindestens ein auffälliger Fragebogengesamt-Score im Bereich depressiver Symptome bei 60 %, ängstlicher Symptome bei 50 %, reduziertes Wohlbefinden bei 89 % sowie hohe diabetesbezogene emotionale Belastungen bei 79 % der Befragten; die Anzahl mit vier auffälligen Scores lag bei 31 %.

 

In die RCT konnten wir letztlich N = 274 (n = 140 Kontrollgruppe [KG], n = 134 Interventionsgruppe [IG]) aufnehmen. Der Anteil Frauen betrug 41%, das durchschnittliche Alter lag bei 49,9 (SD = 8,5) Jahren. Der Anteil an Diabetes mellitus Typ 2 betrug 60 % (Diabetes mellitus Typ 1 = 38 %). Sehr hohe diabetesbezogene emotionalen Belastungen (PAID ≥ 39) zeigte sich bei 69 %; auffällige depressive Werte (ADS-K ≥ 18) zeigten sich bei 71 % der TN. Über ein vermindertes (WHO-5 ≤ 13) Wohlbefinden (WHO-5 ≤ 13) berichteten 91 % der TN. Der mittlere HbA1c -Wert betrug 8,1 (SD = 1,7).

Zum Zeitpunkt der Follow-up-Erhebung (sechs Monate nach Entlassung) lagen uns von 84 % der TN (N = 231; KG n = 118; IG n = 113) Daten vor.

Die diabetesbezogenen Therapiemaßnahmen bestanden für alle Teilnehmenden (TN) aus dem standardisierten, zertifizierten Diabetesschulungsprogramm; die IG erhielt zusätzlich das neu entwickelte psycho-diabetologische Programm. 

Ergebnisse
Die formative Evaluation zu Reha-Ende zeigte eine sehr positive Bewertung des neuen zusätzlichen psycho-diabetologischen Programms durch die TN der IG (n = 126). Insgesamt wurde das Programm von 86 % der TN mit gut bis sehr gut (Schulnote) bewertet. Für wichtig bis sehr wichtig empfanden 97 % der TN das Programm; erneut teilnehmen würden 88 % und das Programm weiterempfehlen 93 %.

Die summative Evaluation sechs Monate nach Entlassung (N = 231) zeigte eine signifikante Reduktion depressiver Symptome sowie einen signifikante Steigerung an berichtetem Wohlbefinden bei den TN der IG im Vergleich zu den TN der KG. 

Eine signifikante und deutliche Reduktion der diabetesbezogenen emotionalen Belastung (Reduktion der diabetesbezogenen Belastungen von sehr hoch auf eine mittlere Ausprägung) sowie eine signifikante Verbesserung des Langzeitblutzuckerwerts (HbA1c) zeigten sich sechs Monate nach Entlassung in beiden Studiengruppen.

Schlussfolgerungen, Umsetzung und Ausblick
Die Evaluation des psycho-diabetologischen Konzeptes im Rahmen einer stationären somatischen Rehabilitation erbrachte positive Effekte bezüglich psychologischer Endpunkte und zeigte deutlich die Relevanz eines solchen Programms für diese psychisch hoch belasteten Rehabilitandinnen bzw. Rehabilitanden auf. 

Inzwischen (seit Mitte 2018) ist das psycho-diabetologische Konzept als verhaltensmedizinisch orientierte Rehabilitationsmaßnahme (VOR) in die Alltagspraxis eingeführt. Bis dato haben über 280 Rehabilitandinnen bzw. Rehabilitanden (Alter im Mittel 52 Jahre; Minimum/Maximum: 21- 73 Jahre) das Programm absolviert.

Publikationen im Rahmen des Projektes
Hillebrand, R., Fischer, H. (2023): Evaluation eines psycho-diabetologischen Rehabilitationskonzeptes bei Diabetes mellitus und psychischen Belastungen. 57. Diabetes Kongress der Deutschen Diabetes Gesellschaft. Berlin, 17.-20.05.2023.

Jolivet, B., Hillebrand, R., Pauli, M., Schwandt, H.-J., Fischer, H. (2016): Evaluation eines psycho-diabetologischen Rehabilitationskonzeptes für Patienten mit Diabetes mellitus und begleitenden psychischen Belastungen. In: DRV Bund (Hg.): 25. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium. Gesundheitssystem im Wandel – Perspektiven der Rehabilitation. 25. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium. Aachen, 29.02.-02.03.2016. Deutsche Rentenversicherung Bund. Berlin: Eigenverlag (DRV-Schriften, 109), S. 423–424. 

Jolivet, B., Hillebrand, R., Pauli, M., Schwandt, H. J., Fischer, H. (2012): Psychologische Betreuung und Reha-Erfolg bei Patienten mit Diabetes mellitus. In: DRV Bund (Hg.): 21. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium. Flexible Antworten auf neue Herausforderungen. 21. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium. Hamburg, 05.-07.03.2012. Deutsche Rentenversicherung Bund. Berlin: Eigenverlag (DRV-Schriften, 98), S. 430–431. 

Schlagwörter
Diabetes mellitus, psychische Komorbiditäten, psychotherapeutisches Mitbehandlungskonzept

Kontakt
Dr. med. Harald Fischer, Hinter dem Rosenberge 1, 33014 Bad Driburg, Tel.: 05253 970-525
Rosemarie Hillebrand, Hinter dem Rosenberge 1, 33014 Bad Driburg
Tel.: 05253 970-106, E-Mail: r.hillebrand@ifr-norderney.de